Das Gebiet rund um den Genfer See hat einiges zu bieten. Spannend daran ist für mich, dass die Region so wenig auf dem Urlaubsradar meiner Umgebung liegt. Bodensee, Gardasee, Comer See, Lago Maggiore, das sind die klassischen Seen, wenn man in die Alpen will. Selbst Goethe hat auf seiner italienischen Reise den Gardasee bevorzugt. Dieser Wälzer des bekanntesten Frankfurter Dichters ist im Übrigen meine diesmalige Urlaubslektüre. Wobei ich das Teil sicher nicht schaffen werde. Über 700 Seiten! Aber einen Satz zitiere ich jetzt, die Sprache ist großartig:
„Hier ist nicht Klugheit, wie man sie sich in abstracto denkt, es ist eine Freude an der Sache dabei, ein Mit- und Selbstgenuß, wie er aus dem Gebrauch des Lebens entspringt.“
Genuss der aus dem Gebrauch des Lebens entspringt, der Goethe war offensichtlich ein Genießer! Und um Genuss geht es auch in Broc, im Schweizer Kanton Fribourg, oberhalb des Genfer Sees. Hier wurde 1819 die Schokoladenfabrik Cailler gegründet. Heute gehört diese zum Nestle Konzern, was mich kurz zucken lässt, aber wir blenden die Politik aus und besichtigen ein, …Museum wäre stark untertrieben…, eine Installation in Sachen Schokolade. Bei einem dreiviertelstündigen Rundgang wird die Entdeckung des Kakaobaumes für Europa durch die Kolonialisierung bis zur heutigen Schokoladenfertigung gezeigt. Und auch unliebsame Wahrheiten finden ihren Platz (100 Kakaobohnen kostete ein Sklave).
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde Cailler mit Nestle zusammen geschlossen, was deren Überleben sicherte. Und das hat sich gelohnt. Am Ende des Rundgangs gibt es Schokolade zu probieren. Ich beschließe den Moment auf die bekannte Feststellung zu reduzieren: „So lange Kakaobohnen an Bäumen wachsen, ist Schokolade für mich Obst.“ Mit so viel Obst gehen wir beglückt wieder nach draußen und stellen fest: Die 15 Franken Eintritt haben sich gelohnt!
Auf dem Rückweg lassen wir Evian erstmal liegen und fahren weiter am See entlang nach Yvoire. Yvoire ist stolz darauf als Plus beaux villages de France (Schönste Dörfer Frankreichs) klassifiziert zu sein. Ein wunderbar erhaltener mittelalterlicher Dorfkern lädt zum Spazieren, schauen und genießen ein. Die Kulisse ist wirklich beeindruckend, dies wird bereits beim flanieren im inneren deutlich. Die beste Aussicht hat man vom Bootsanleger aus. Wer mag kann mit einer Fähre zur gegenüberliegenden Schweizer Seite und bis nach Genf schippern. Wir belassen es beim Rundgang durch die alten Gemäuer.