Meer, Mondschein, Hafen, dies waren gestern Abend die Motive, unseren Campingplatz nochmal in die Dunkelheit zu verlassen. Ein Spaziergang in der lauen Sommernacht, dass beißwütige Moskitos aller Art diesen deutlich verkürzt haben, ist eine nicht zu ändernde Randerscheinung. Als wir zurückkommen, ist die Rezeption hell erleuchtet. Hinter dem Schalter lächelt uns die diensthabende Mitarbeiterin freundlich zu.
Reception steht über dem kleinen Haus. Hier müssen sie alle vorbei. Das Wort „Reception“ stammt ursprünglich aus dem Lateinischen: receptio – die Bedeutung lautet „Empfang“ oder „Aufnahme“. Hier werde ich aufgenommen, was für ein schöner Gedanke. Beide Begriffe sind bei mir positiv besetzt. Trotzdem gibt es Unterschiede. Vor nicht allzu lange Zeit wurde in der Zentrale, des mächtigsten Land der Erde, ein Staatsgast zunächst sicher positiv empfangen, die Aufnahme, das folgende Tribunal und der spätere Abschied hatten vor der versammelten Weltpresse aber einen eher schalen Geschmack.
Da schaue ich lieber nach dem Positiven. Empfang, das hat etwas von rotem Teppich, hier bin ich willkommen, hier darf ich sein. Unser Campingplatz hat mir keinen roten Teppich ausgerollt – komisch 😉 – aber ich beziehungsweise wir fühlen uns trotzdem wohl, wurden gut empfangen! Und dann die Aufnahme. Ist es nicht etwas Wunderbares aufgenommen zu werden! Der Akt einer Aufnahme sagt: Du bist hier willkommen; dich wollen wir dabei haben; du gehörst jetzt dazu. Ein wunderbares Gefühl. Ich denke noch eine Weile über die Aufnahme nach, als ein Paar mit Rädern, offensichtlich von einem Tagesausflug in die Lagune, zurückkommt. Sie berichten der Rezeptionistin was sie erlebt haben. Irgendwann driftet das Gespräch ab. An verschiedenen Wort-Fragmenten ist zu erahnen, dass es jetzt persönlich wird. Geschichten über die Kinder und Enkel werden voller Freude zum Besten gegeben. Mir wird bewusst, dass eine Rezeption viel mehr ist, als der Ort, an dem man die Anmeldungs-Karte ausfüllt.
Hier gibt es Tipps rund um den Urlaub. Aktuelle Informationen werden ausgetauscht. Wann fährt der Shuttle-Bus? Was erwartet einen in der nächsten Stadt? Dieser Ort mutiert mit fortschreitendem Abend zu einem Ort der Seelsorge und des Kümmerns. Als mir vor drei Jahren in Venedig das Portmonee gestohlen wurde, habe ich dort gesessen. Mir wurde bei der Abwicklung mit der Polizei geholfen, übersetzt und auch ein wenig getröstet. Die Rezeption hat bei mir und erfüllt im Allgemeinen eine tiefe Sehnsucht nach Zugehörigkeit, nach einem Gefühl von Geborgenheit. Dieser Ort ist ein Narrativ für eine Welt, in der jemand da ist, der sagt: „Ich kümmere mich.“