Preisfrage: Wann bin ich das letzte mal morgens um halb Sieben im Urlaub freiwillig aufgestanden? Ich glaube noch nie! Es gibt auch einfach keinen Grund dazu. Heute war also eine Premiere. Wir hatten um halb Acht einen Slot für Petersdom und Kuppel gebucht. Im Reiseführer wurde eine solche Uhrzeit empfohlen, danach könnte es voll werden. Während wir also zunächst von einer Wartestation zur nächsten geschoben werden, frage ich mich – warum? Dies hier ist ein Inferno von geballter Distanzlosigkeit.
Der Kolonnenführer mit Orangener Fahne, stapft mit der stoischen Ruhe eine erloschenen Vulkans durch die vielen Gänge, über zahllose Stufen, zwischen anderen Menschen hindurch, die blauen, gelben und roten Fahnen folgen. Für mich der absolute Overkill. Ich kann es nicht ausstehen in einer solchen Truppe orientierungsloser Wühlmäuse mit geschleust zu werden. Nun gut, ich ergebe mich dem Moment, wenn es der Sache nun mal dient. Und ich werde nicht enttäuscht, wobei die letzten Treppen des Aufgangs, für einen etwas zu groß geratenen Mitteleuropäer, eher dem nochmaligen durchlaufen des Geburtskanal frappierend ähnelt.
Wer Platzangst hat, sollte sich zweimal überlegen, ob dieses Event eine gute Idee ist. Die Aussicht auf Rom ist dann eine Superlative, für die mir die Worte fehlen. Es macht einen demütig stumm, beim Blick hinunter. Dieser ganze Ort – der Theologe Rudolf Otto würde es: Mysterium tremendum et fascinosum nennen. Wobei ich mir mit der Gattin einig war, dass die Gegenwart Gottes an anderen Orten deutlicher wird. Als wir irgendwann wieder auf den Platz heraus treten staunen wir nicht schlecht, der gesamte Innenraum ist nahezu geflutet mit Warteschlangen. Wahnsinn, wo kommend die vielen Menschen her? Und das Tag für Tag! Nachdenklich und erschöpft schlendern wir Richtung Bahnhof St. Pietro.
Nach dem anstrengenden Tag geballtes Rom – Vatikan, wollten meine Damen noch shoppen. Unser Ziel war eine Einkaufsmall, die ich in dieser Dimension in Europa noch nicht gesehen habe. In Texas gibt es das, aber hier? Während ich also mit einem Cappuccino im Café sitze wird mir bewusst, dass die Szene der Reiseblogger in der Regel solche Beschäftigungen schlicht verachtet. Umso bemerkenswerter: Hier trifft man Italien. Kein Tourist weit und breit. Die gemeine Durchschnittsfamilie rollt mit Kind und Kegel an. Oma Marina, Neffe Lorenzo, Sohn Ricardo und Enkelin Giulia, nicht zu verwechseln mit einem bildschönen roten Alfa gleichen Namens aus italienischer Produktion.
Sie sind alle da. Die italienische Norm-Familie ist an wenigen Details zu erkennen. Die Damen tragen Glitzerschuhe wie in der Show von Siegfried und Roy,, die Herren kommen mit gegeelte Haaren oder Glatze. Babys dürfen grundsätzliche schreien und die Hunde sind laufende Sofakissen von der Hässlichkeit eines Koboldmaki. Jeder darf sein, Familie hält zusammen. Ich genieße es, dieses Umfeld zu erleben. Italien pur!