Heutzutage muss man sich ja für vieles schämen. Flugscham ist zum geflügelten Wort unter Reisenden geworden. Und auch manche Ziele haben im Dialog mit anderen Reisenden mitunter ein Geschmäckle. Lido de Jesolo gehört in diese Kategorie. „Touristen-Industrie“, „Massenabfertigung“, „Handtuch-Liegen“, der Ort musste schon reichlich Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Alternative Bildungsreisende rümpfen entsetzt die Nase. Ich habe mich schon oft gefragt, wo solcherlei Überheblichkeit herkommt. Was unterscheidet einen Reisenden in Jesolo von dem an der Atlantik – Küste. Meine Antwort wäre: Der aus Jesolo kommt mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit braun gebrannt zurück.

Gestern war es jetzt soweit, mit dem Zubringerbus fahren wir nach Jesolo und ersparen uns damit schon mal die lästige Parkplatzsuche. Der Lido Bereich hat zwei zentrale Achsen. Die ein geht kilometerlang am feinsandigen Strand entlang. Alles ist ordentlich mit nummerierten Liegestühlen samt dazugehörigen Sonnenschirmen übersät. Von dort aus läuft der Bade-willige flach in die Adria, wir schmecken die salzige Luft auf den Lippen. Fröhliches Kindergeschrei, die dazugehörigen Eltern lassen es sich auf der Liege gut gehen, der Ort ist voll aber ausgesprochen fröhlich. Hat man genug vom Strand, ist der nächste Hotspot die im Rückwärtigen Bereich parallel verlaufende Via Bafile. Die Straße ist verkehrsberuhigt, gelegentlich kommt ein Anwohner mit dem Auto, öfter dagegen eine vierrädrigen Fahrrad-Rikscha mit strampelnden Touristen. Es reihen sich zahllose Shops aneinander, mit so habe ich den ersten Eindruck, dem immer gleichen Kram. Schaut man in den Souvenir Läden genau hin, findet man aber hier und dort schon unterschiedliches – durchaus auch regionales. Alles ist bunt, das Leben impulsiv. Ich mag es! Und obwohl hier überwiegend Touristen unterwegs sind, spiegelt sich hier auch ein Teil des italienischen Wesen wieder. Italiener sind auch schrill und bunt und das ist wunderbar! Die Souvenirshops wechseln sich ab mit Restaurants, Pizzerien und dem obligatorischen Gelatti – Café. Um auf meine Einleitung zurück zu kommen, ich bin gerne auch mal einen Tag hier, kann aber nichts negatives daran finden, wenn Menschen ihren gesamten Urlaub hier verbringen. Deshalb jetzt mal 9 Gründe, Jesolo zu lieben:

1. Der Ort hat in den vergangenen Jahrzehnten Millionen von Menschen glücklich gemacht. Können die alle irren?!

2. Der Sand in Jesolo eignet sich hervorragend zum Burgen bauen.

3. Hier ist die Wahrscheinlichkeit einen Sommer zu erleben, der den Namen verdient, ausgesprochen hoch.

4. Fans von Souvenirshops kommen absolut auf ihre Kosten.

5. Nirgends ist Italien so wunderbar kitschig wie hier.

6. In Jesolo war bestimmt schon mal jemand aus der Familie, man hat nach der Rückkehr ein gemeinsames Gesprächsthema.

7. Viele hier sind Wiederholungstäter. Sie haben ihre Ferien bereits als Kinder hier erlebt, man kennt sich.

8. Jesolo ist verlässlich. Man bekommt das, was man sich vorstellt. So zu sagen, das Treppengeländer unter den Urlaubszielen.

9. Der Strand von Jesolo ist rund 15 Kilometer lang, dort findet jeder seinen Platz.