Am vergangenen Samstag ist ein ganz außergewöhnlicher Mensch heim gegangen. Kris Kristofferson. Vieles von seiner Musik, seinen Filmen und seinem unerschütterlichen Glauben hat mich immer wieder zum staunen gebracht. Und er hat eine Liedzeile geschrieben, die zu den universellen Polarsternen der Musik-Lyrik gehört. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass er einen Oxford Abschluss in englischer Literatur hat und ein Angebot dort zur Lehren ausgeschlagen, um sich der Musik zu widmen, bekommt dieser Satz eine ganz eigene Tiefe.
„Freedom’s just another word for nothing left to lose“
Das Lied hierzu hat er unter anderem im Jahr 2011 im Weißen Haus für Barack Obama gesungen. Hier der Link.
Ich habe ihn noch zweimal in seinen letzten Bühnenjahren live gesehen. 2018 in Frankfurt und 2019 in Heilbronn. Damals schon über 80, zerbrechlich aber unfassbar präsent. Hier der Blogartikel den ich 2018 geschrieben habe, aus den Tiefen meiner Festplatte hervor geholt:

Lebenslange Reise
Heute Abend erzähle ich von einer Reise der anderen Art. Meine Liebe zum Reisen habe ich durch meinen Dad bereits in den väterlichen Erbanlagen mitbekommen. Er war Fernfahrer und hatte damit seine Berufung gefunden.
Viele Jahrzehnte ist er kreuz und quer, mit einem Vierzigtonner durch Europa gefahren, und hatte immer wieder große Freude daran, die Welt neu kennenzulernen. Einmal in meinem Leben waren wir gemeinsam im Kino. Convoy hieß der Film, und es muss 1979 gewesen sein. Hierbei handelt es sich für mich, um die Mutter aller Roadmovies! Die Hauptrolle war der Trucker Rubberduck, der von Kris Kristofferson gespielt wurde.
Und genau dieser KK, hauptberuflich Countrysänger und Songwriter, gastierte heute Abend in der Jahrhunderthalle, Frankfurt am Main. Wenige Tage nach seinem 81. Geburtstag, war für mich dieses Konzert eine Pflichtveranstaltung, weil … Herzensangelegenheit. Kristofferson hat für die ganz großen Lieder geschrieben. Johnny Cash, Elvis Presley, Janis Joplin und Bob Dylan, um nur einige zu nennen, haben seine Songs gesungen und interpretiert.
Die Halle ist fast ausverkauft, viele, die mit dem Star gealtert sind, aber auch jüngere Semester können im Publikum wahrgenommen werden. Analysiert man den Abend sachlich, wäre festzustellen, dass jeder Jugendliche, der den Gitarrenkurs für Fortgeschrittene in der Volkshochschule hinter sich hat, vermutlich besser ist. Sowohl die Präzision ist nicht mehr wirklich gut, als auch die Vielfalt an Rhythmus und Dynamik scheint eher limitiert.
DAS MACHT ABER ÜBERHAUPT NICHTS!
Das Publikum ist sich unausgesprochen kollektiv einig, dass hier eine lebende Legende auf der Bühne steht. KK nimmt sein Publikum mit zu einer Reise. Die Exkursion eines zweistündigen Konzertes, die von seiner musikalischen Lebensreise erzählt. Der Ort scheint pure Emotion. Alle großen Klassiker sind dabei, er fesselt von der ersten bis zur letzten Minute. Und auch wenn es platt klingt, der Mann hat eine raumfüllende Ausstrahlung.
So etwas kann man nicht lernen. Das hat schon etwas „Obama°eskes“ wie er durch pure Anwesenheit, sein Publikum einfängt. Es ist mit Händen zu greifen, dass KK nur noch eine Botschaft hat, nämlich die Zerbrechlichkeit des Lebens in seinen tiefen Glauben einzubetten und seinem Publikum nahezubringen. Zerbrechlich und unvollkommen sind die Geschichten, die er in seinen Texten erzählt, gepaart mit einem unerschütterlichen Glauben. Die Magie des Abends lebt von der Unvollkommenheit, von der Zerbrechlichkeit, von der Virtuosität einer rätselhaften Klarheit. So sind auch, seine letzten Worte, mit denen er sich bei Standing Ovations vom Publikum verabschiedet: „God bless you, Frankfurt“.
God bless you too, Kris!