Wenn es in diesem Blog ums Reisen geht, dann war unser heutiger Abend eine Reise der anderen Art. Ich starte mal mit einer rhetorischen Frage: Wer kann sich noch an den Duft erinnern, wenn man vor sagen wir 45 Jahren ins Kino gegangen ist?
Es roch nach einer Mischung aus abgewetztem Leder, altem gewachstem Eichenholz und zweimal im Jahr, nach einem frisch gestärktem Bühnenvorhang – meist in rotem Samt. An den Wänden hingen Lampen mit echten Glühbirnen, der dazugehörige Milchglaszylinder dämmte das Ganze so, dass es hauptsächlich nach oben und unten strahlte.
Wir besuchten heute so ein Etablissement. Bereits das Ankommen war ein Ereignis. Die kleine Stadt ist nahezu ausgestorben, dunkle Straßenlaternen im Retro Style sorgen für ein Minimum an Orientierung. Es empfängt uns ein Stadttor, optisch der kleine Bruder des Lübecker Holstentors. In diesem Umfeld wäre es kaum verwunderlich, wenn gleich ein Mittelalterlicher Nachtwächter seinen Dienst täte. Dieser ist zwar nicht zu sehen aber wir finden das örtliche Lichtspielhaus, wie solche früher bezeichnet wurden. Hier trägt es den Namen: Kremper Tor – entlehnt von dem Tor, dass uns eben so präsent empfangen hat.
Wir treten ein und es duftet nach Popcorn. Ein Mitarbeiter begrüßt uns freundlich aber auch ausgesprochen hanseatische – geschwätzig: „Moin“. Damit hat er im Grunde alles gesagt und wir begeben uns in den Kinosaal. Hier ist die Zeit stehen geblieben. Die Sitze waren in längst vergangenen Tagen solche, die einen Aschenbecher beherbergten, ja ich erinnere mich, früher wurde im Kino geraucht. An der Stelle des ehemaligen Kippen-Sammlers ist heute schlicht ein Loch am Ende der Armlehne. Ein wenig kann man die Marlboro Zeit noch erschnuppern.
Wir sind heute eine kleine Runde von Cineasten. Man kennt sich, außer uns natürlich. Irgendwann ruft der Herr vom Eingang mit sonorer Stimme in den Raum: „Also denn, viel Spaß“. Echt jetzt – dass habe ich so auch noch nicht erlebt. Ebenso wenig kann ich mich je daran erinnern, den Start im Kino ohne Werbung erlebt zu haben! Dieser Ort ist ein einziges Ereignis, der Film ist unterhaltsam und wir haben Spaß. Nach der Vorstellung fragt uns beim Verlassen der Herr an der Theke mit echtem Interesse: „Und, hat es euch gefallen?“ Ich bin wirklich beeindruckt, in dieser Metropole eines zeitlosem Feuilletons wabert eine Seele. Ein Kinobesuch der aber auch gar nichts mit irgendwelchen lausigen Cinemas angelsächsischer Prägung gemeinsam hat. Es passt einfach. Übrigens am Eingang gab es sogar Langnese Eis Konfekt – alles wie früher.
Auf dem Heimweg bin ich ziemlich schweigsam. Diese Zeitreise muss ich erst mal sacken lassen. Ich frage mich, wie viele Menschen vor uns schon an diesem wunderbaren Ort waren. Hoffentlich auch zukünftig, einfach ein Gewinn für seine Stadt.
Diese Rückmeldung war gestern auf Instagram! Auch darüber freue ich mich natürlich!
Das würde mal als Traum oder als Märchen halten, wenn es nicht vom Blogg er Ralf authentisch geschildert wäre. Danke für diese schöne Geschichte die bei uns „Alten“ doppelt in die Seele trifft.
Lieber Dieter,
schön von Dir zu hören. Es freut mich, wenn meine Texte ankommen. Genau deshalb schreibe ich hier und Deine Rückmeldung war wirklich sehr wertvoll.
Ganz liebe Grüße nach München, von 1000 km weiter nördlich.
Der Ralf